
Mein (unser) Besuch beim BAAINBw in Koblenz – Vizepräsident Ralf Herzog vertrat spontan seine Chefin
Von Klaus Hüsing

Voller Vorfreude fuhr ich am 11. September nach Koblenz zu „unserem Mutterhaus“ an den Rhein. Einiges hatte sich seit meinem Antrittsbesuch beim ehemaligen Präsidenten Harald Stein vor einigen Jahren kurz nach unserer Gründung geändert. Der Haupteingang am Konrad-Adenauer-Ufer 12 an der schönen Rheinpromenade war verschlossen. So musste ich den weiten Weg um den Riesengebäudekomplex hintenrum zur Hauptwache dahinter antreten. Zeit satt und Gott sein Dank ohne Regenschauer.

Gleich beim Eintreffen und der Begrüßung durch die Chefsekretärin unserer Präsidentin, die mir schon Ende Mai den Gesprächstermin mit Frau Annette Lehnigk-Emden bestätigt hatte, musste sie mir schweren Herzens offenbaren, dass ihre Chefin leider kurzfristig verhindert ist.
Das Angebot, mit Vizepräsident Ralf Herzog zu sprechen, nahm ich selbstverständlich sofort an. In einem sehr guten Gedankenaustausch nach meiner Vereinsvorstellung einschließlich der Erläuterung unserer genauen Tätigkeiten, der Gemeinnützigkeit und unserer Prinzipien kamen wir auf die allgemeine Situation des Amtes und des nachgeordneten Bereichs in diesen „Kriegszeiten“ zu sprechen.
Es war ein wunderbares Gespräch mit sehr informativem und freundlichem Charakter sowie gegenseitigem Verstehen und auch Zuhören. Summa Summarum ein „trotzdem“ lohnenswerter Besuch.

Dazu brandaktuell ein Artikel aus der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ) vom 22. September 2025:
Ein Experten-Duo für die Kriegstauglichkeit
Probleme bei Personal und Ausrüstung: Verteidigungsminister Pistorius setzt auf einen General und eine Volljuristin
Tim Prahle
Hamburg. An der Rheinpromenade in Koblenz, unweit des Deutschen Ecks, steht ein neuromanischer Prunkbau mit Türmchen, Zinnen und einer Figur Sankt Georg, dem Schutzpatron der Soldaten. Nichts deutet hier auf Verwaltungsmuff hin, dabei wird ausgerechnet dieser Behörde viel Bürokratie nachgesagt.
Das Beschaffungsamt, beziehungsweise, das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) hat nicht nur einen umständlichen Namen, sondern steht noch immer für das, was bei der Bundeswehr selbst nach der Zeitenwende schiefläuft: Behäbigkeit, Kostenexplosion bei Waffenkäufen und jahrelange Verzögerungen.
Die Ausrüstung ist eines von zwei großen Problemen, mit denen Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) kämpft. Und wie das Gebäude, in dem das Amt sitzt, sind schief schießende Maschinengewehre, brennende Schützenpanzer, Kosten und Verzögerungen vor allem auffällig.
Riesiges Kasernengelände für Personalstrategie
Das galt für das zweite Problem lange nicht. 85 Kilometer Luftlinie vom ehemaligen preußischen Regierungsgebäude entfernt hat das Amt für Personalmanagement der Bundeswehr seinen zentralen Sitz. Versteckt auf dem riesigen Areal der Kölner Lüttich-Kaserne, für Außenstehende schwer zu finden, zudem müssen Wachposten passiert werden. Das Amt wurde gegründet, nachdem die Wehrpflicht ausgesetzt wurde. Von hier aus versucht die Bundeswehr seither, genug freiwilliges Personal zu rekrutieren.
Als Generalleutnant Robert Sieger 2024 von Boris Pistorius zum Präsidenten des Personalamtes in Köln ernannt wurde, hatte die Bundeswehr nur noch rund 180.000 Soldaten. Sieger, ein hochgewachsener Militär mit auffälligem Schnauzbart und Auslandserfahrung sowie studierter Organisationswissenschaftler, soll in zehn Jahren rund 80.000 Soldaten dazugewinnen. Er spricht druckreif, braucht keine Nachdenkpausen, wenn es um die Herausforderungen seiner Behörde geht.
Er hatte schon vorher eine extra gegründete Taskforce zur Personalgewinnung geleitet. Das Personalziel zunächst: 203.000 Soldaten bis 2031. Selbst das schien kaum zu erreichen. Vor allem, weil jährlich etwa aus Altersgründen mehr als 20.000 Soldaten die Bundeswehr verlassen. Man hätte das Personalziel dennoch erreicht, sagt Sieger. Doch im Mai 2025 waren die meisten Ideen dieser Taskforce überholt, zumindest waren sie nicht ausreichend. Denn da sagte Deutschland der Nato zu, sogar auf 260.000 Soldaten und 200.000 Reservisten bis 2035 zu wachsen.
„Genau deswegen braucht es jetzt auch den neuen Wehrdienst“, sagt Sieger. Prominent platziert steht in seinem Büro die Autiobiografie von Barack Obama, die Porträts von Verteidigungsminister Boris Pistorius und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hängen an der Wand. Standard bei der Bundeswehr und dennoch sinnbildlich.
Der Bundespräsident heizt die Debatte um eine Rückkehr zu Wehrpflicht regelmäßig an, Pistorius kämpft derzeit darum, sein Wehrdienst-Modell durchs Parlament zu bringen. Auch Obamas optimistisches Motto „Yes we can“ könnte zu Sieger passen. „An uns wird der Aufwuchs der Bundeswehr nicht scheitern“, sagt er.
Doch was bringen viele Soldaten, wenn es nicht genug Waffen und Munition gibt?
Im Eck-Büro des Koblenzer Prachtbaus von „Bundeswehr-Chefeinkäuferin“ Annette Lehnigk-Emden hängen Pistorius und Steinmeier nicht an den Wänden. Hunde und Konrad Adenauer dekorieren stattdessen Zimmer der Präsidentin des Beschaffungsamtes BAAINBw. In den Regalen stehen Modelle von Kampfjets und Schiffen, ein riesiger goldener Schlüssel und ein Spaten hängen an der Wand.
Ihre Position ist keineswegs nur symbolisch für Schlüsselübergaben und Spatenstiche. Sie unterschreibt die Verträge, im Millionen- und Milliardenvolumen. Durchschnittlich setzt sie ihre Unterschrift jeden zweiten Tag unter so einen Vertrag. Ihr Amt insgesamt hat 2024 rund 12.000 Verträge abgeschlossen. So viele wie seit Jahren nicht.
Auch Lehnigk-Emden wurde von Boris Pistorius auf die Chef-Position befördert. Die Bundeswehr will und braucht schnell und unkompliziert mehr Waffen, Uniformen, Munition. Lehnigk-Emdens Sprecher nennt sie „das Gesicht der Beschaffung“. Und als solches ist die Rheinländerin spürbar genervt. Denn obwohl mit dem Sondervermögen alles besser werden sollte, gibt es noch immer Meldungen von Verzögerungen bei Beschaffungen. Die Fregatte 126 etwa, das neue Kriegsschiff der Marine, droht zu einem kompletten Fiasko zu werden.
In der Vergangenheit hat Lehnigk-Emden auch schon mal deutlicher die Industrie in die Verantwortung genommen, die mit der Produktion nicht hinterherkommt. Das macht sie mittlerweile weniger. „Verzögerungen bei den Lieferanten passieren ja auch nicht aus Willkür, da gibt es immer handfeste Gründe“, sagt sie.
Genervt ist die Präsidentin aber eher, weil ihre Behörde immer wieder öffentlich an den Pranger gestellt werden, wenn mal wieder eine Beschaffung länger dauert. Selbst wenn es gar nicht am Koblenzer Amt liegt. „Beschaffung hört sich immer so einfach an“, sagt sie mit starken rheinischen Dialekt. Aber das sei sie eben nicht. Beinahe ihr gesamtes berufliches Leben ist die Volljuristin bereits bei der Bundeswehrverwaltung. Lehnigk-Emden hatte als Referentin in den Neunzigern schon den Verhandlungen rund um den Kampfjet Eurofighter beigewohnt.
Der Eurofighter war gewissermaßen ein Vorbote für das, was es künftig viel mehr geben soll: multinationale Projekte. Doch eine europäische Aufrüstung scheitert häufig an nationalen Interessen, nicht einmal Deutschland und Frankreich bekommen es aktuell reibungslos hin, einen neuen Kampfpanzer und ein neues Kampfflugzeug zu entwickeln. „Aber das ist bei internationalen Projekten nun mal so. Es geht für alle Beteiligten schließlich um Arbeitsplätze und Steuergelder”, sagt Lehnigk-Emden.
Es seien aber nur vorübergehende Probleme. „Wenn die einmal bewältigt sind, läuft es.“ Vor allem sind die beiden entscheidenden Projekte noch ferne Zukunft. Irgendwann in den 2040er Jahren ist mit dem Kampfjet „FCAS“ und dem Panzer „MGCS“ zu rechnen. Rot im gedanklichen Kalender angestrichen ist bei Lehnigk-Emden das Jahr 2028. Bis dahin soll die Bundeswehr ausgerüstet sein, um auf einen potenziellen Angriff Russland auf Nato-Gebiet gerüstet zu sein. Diverse Erlasse und Gesetze sollen die Arbeit des Beschaffungsamtes beschleunigen. Lehnigk-Emden hat nach eigenen Angaben die Hälfte der rund 160 verwaltungsinternen Vorschriften gestrichen.
Doch was bringen neue Waffen, wenn es an Soldaten fehlt, die sie bedienen können?
Braucht es beim Material Beschleunigung, steht beim Personal eine regelrechte Kehrtwende an. Der Wehrdienst, den Pistorius seinem General Sieger an die Hand geben möchte, um die Personalziele zu erfüllen, besteht aus weit mehr als nur einem Fragebogen für 18-Jährige. Es ist ein Kraftakt, den Sieger mit der Bundeswehrgründung 1955 vergleicht.
Was Pistorius‘ wichtigste Beamte gemeinsam haben
Für den neuen Wehrdienst, vor allem die Musterung eines kompletten männlichen Jahrgangs, muss Sieger seine Behörde komplett umstellen. Nicht nur beim Sitz in Köln, sondern auch etwa die 16 Karrierecenter der Bundeswehr. Die sind auf den Musterungsandrang nicht mal annähernd ausgerichtet. Und bei rund einer Million Reservisten weiß die Bundeswehr derzeit nicht mal, wo sie sich befinden und was sie machen. Das Wehrdienst-Modernisierungsgesetz, das all diese Probleme beheben könnte, ist längst noch nicht durch. Womöglich wird es sogar im Koalitionsausschuss landen, weil die Union mit dem Wehrdienstmodell von Pistorius nicht glücklich ist.
Erst wenn das Gesetz verabschiedet ist, können Robert Sieger und die Personaler richtig loslegen. Und müssen dann hoffen, dass wirklich genug Wehrdienstleistende „kleben“ bleiben und die Bundeswehr als Soldaten längerfristig unterstützen. Denn sonst braucht es in Köln eine neue Idee, um bei den Soldaten das Personalproblem langfristig zu lösen.
Auch bei Lehnigk-Emden in Koblenz ist das Prinzip Hoffnung Teil der Strategie. Die Hoffnung, dass die Industrie die Kapazitäten ausbaut. Die Hoffnung, dass Kommunen diesen Ausbau zulassen. Und die Hoffnung, dass die Bundestagsabgeordneten rund 100 teure Beschaffungsvorhaben noch dieses Jahr durchwinken.
Eines eint die beiden Spitzenbeamten von Boris Pistorius: Sie sind nicht nur erwartungsgemäß voll auf Linie des Verteidigungsministers. Und sie zeigen sich optimistisch, dass Pistorius, nein: dass sie und ihre Behörden Deutschlands Kriegstüchtigkeit tatsächlich herstellen können.